Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben (Joh 14, 6). Mit dieser ermutigenden Botschaft als Teil der byzantinischen Deckenmalerei aus dem 13. Jh. empfängt Christus mit offenen Armen die Menschen im Hohen Chor unserer Kirche.
Vom damaligen kaiserlichen Reichsvogt Volkmar und seiner Frau Helena als Stiftskirche „St. Maria in horto“ (Heilige Maria im Rosengarten) gestiftet, wurde sie Mittelpunkt eines Klosters mit prägendem Einfluss in Goslar auch über die Reformation hinaus. Über die Ordenszugehörigkeit besteht bis heute keine eindeutige Klarheit. Vermutlich waren die Nonnen anfänglich Zisterzienserinnen, sie waren jedoch dem Ordensverband der Zisterzienser nicht zugeordnet. Später lebten sie nach den Benediktinerregeln. Derartige Vorgänge werden im 12. Jh. häufiger beobachtet.
Im Jahr 1188 nahm Kaiser Friedrich Barbarossa das Kloster unter seinen Schutz. Das bedeutete, dass das Kloster von allen öffentlichen Abgaben befreit war, keiner weltlichen Gerichtsbarkeit unterstand und für die weltlichen Aufgaben sich einen eigenen Vogt wählen konnte. Im 13. Jahrhundert erreichte das Kloster eine wirtschaftliche und kulturelle Blütezeit. In dieser Zeit, wahrscheinlich 1225 entstanden auch die kostbaren Wandmalereien. In den Malereien im Chor findet diese Stellung zum Kaiser seinen Ausdruck.
Im Jahr 1280 das Kloster Neuwerk verlor seine Unabhängigkeit. Städtische Prokuratoren wurden eingesetzt, die als Bindeglied zwischen Kloster und Rat der Stadt fungierten. Das Kloster wandelte sich in dieser Zeit des aufkommenden Bürgertums zu einer Versorgungseinrichtung für unverheiratete Töchter von wohlhabenden Goslarer Familien. Die Sitten verfielen. Klosterregeln und Gelübde hatten keine Gültigkeit mehr.
Im 30-jährigen Krieg wurde das Kloster 1629 vorübergehend unter Aufsicht des Benediktinerordens gestellt. Nach Abschluss des Westfälischen Friedens 1648 wurden Stifte und Klöster säkularisiert, was jedoch für Neuwerk ohne Folgen blieb. 1667 wurde Pfarrer Himmel von der Jakobikirche (seit 1338 die für Neuwerk zuständige Pfarrkirche, seit 1528 evangelisch, seit 1803 katholisch) als Klosterprediger bestellt und damit die Reformation endgültig eingeführt. Aufgrund einer neuen Kirchenordnung der Stadt Goslar wurde Neuwerk in ein evangelisches Damenstift überführt.
1802 nahm Preußen von Goslar Besitz und setzte Freiherr Christian von Dohm als Kommissar ein, der die Finanzreform des Schul- und Kulturwesens zum Abschluss brachte. Aus den Überschüssen der Klostervermögen wurden Schulen eingerichtet, sowie Lehrkräfte, Pfarrer und Mitarbeiter entlohnt. Auf Kosten des Klosters Neuwerk wurde in einem ehemaligen Brauhaus eine Mädchen-Bürgerschule eingerichtet, die 1806 bereits aus 3 Klassen bestand. Seit dieser Zeit ist Neuwerk eine unselbstständige Stiftung in der Verwaltung der Stadt Goslar.
Seit 1964 ist sie Gemeindekirche der in jenem Jahr aus der Marktgemeinde ausgegründeten Evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde Neuwerk. Das Stift wurde 1969 aufgelöst. Die „Stiftung Neuwerk“ besteht als von der Stadt Goslar verwaltete unselbständige örtliche Stiftung des öffentlichen Rechts.